Definitionen in den KVR
Die Kollisionsverhütungsregeln (KVR) gibt es seit 1972. Und können komplett im Internet nachgelesen werden. Das ist allerdings keine Freude, weil es ein typischer Gesetzestext ist, bei dem wenig Wert auf Lesbarkeit gelegt wurde. Hier ist der Text in der deutschen Version: deutsche Version der KVR
Damit die Regeln Sinn ergeben, müssen zuerst einige Begriffe geklärt werden.
Hier sind ein paar Definitionen im Original-Wortlaut:
“Der Ausdruck “Fahrzeug” bezeichnet alle Wasserfahrzeuge einschließlich nicht wasserverdrängender Fahrzeuge, Bodeneffektfahrzeuge und Wasserflugzeuge, die als Beförderungsmittel auf dem Wasser verwendet werden oder verwendet werden können.” Das heißt also, von den KVR sind nicht nur alle Boote und Schiffe betroffen, sondern auch Windsurfer, Jetskis, Hovercrafts, Wasserflugzeuge und Bodeneffektfahrzeuge. Naja, zumindest die 3 letztgenannten sind in deutschen Gewässern extrem selten. Was ist aufgrund dieser Definition ausgeschlossen? Also Luftmatratzen zum Beispiel, sind keine Fahrzeuge, weil sie keinen Antrieb haben.
“Der Ausdruck “Maschinenfahrzeug” bezeichnet ein Fahrzeug mit Maschinenantrieb.” Ok, das ist jetzt wenig überraschend.
“Der Ausdruck “Segelfahrzeug” bezeichnet ein Fahrzeug unter Segel, dessen Maschinenantrieb, falls vorhanden, nicht benutzt wird.” Hier wird es interessant, denn die meisten Segelyachten haben natürlich einen Motor, den sie hauptsächlich für die Hafenmanöver benutzen. Wenn der Motor läuft, gilt das Segelboot damit rechtlich als Maschinenfahrzeug, egal ob zusätzlich Segel gesetzt sind und ob der Motor eingekuppelt ist oder nicht. Das ist später bei den Ausweichregeln und den Sichtzeichen relevant.
“Der Ausdruck “fischendes Fahrzeug” bezeichnet ein Fahrzeug, das mit Netzen, Leinen, Schleppnetzen oder anderen Fanggeräten fischt, welche die Manövrierfähigkeit einschränken, jedoch nicht ein Fahrzeug, das mit Schleppangeln oder anderen Fanggeräten fischt, welche die Manövrierfähigkeit nicht einschränken.” In dieser Definition steckt die Unterscheidung zwischen professionellen Fischern und Hobby-Anglern. Die eingeschränkte Manövrierfähigkeit ist entscheidend. Wenn ihr also mit dem Segelboot rumdümpelt und nebenbei eine Angel ins Wasser hängt, seid ihr kein fischendes Fahrzeug nach KVR.
“Der Ausdruck “manövrierunfähiges Fahrzeug” bezeichnet ein Fahrzeug, das wegen außergewöhnlicher Umstände nicht so manövrieren kann, wie es diese Regeln [die KVR] vorschreiben, und daher einem anderen Fahrzeug nicht ausweichen kann.” (SR 8) Mit “außergewöhnliche Umstände” sind praktisch immer Schäden gemeint. Also Motorschäden und Ruderschäden vor allem. Eigentlich eine eindeutige Definition, aber vielleicht nicht eindeutig genug. Was nämlich immer wieder als Frage auftaucht: Was ist mit einem Segelboot in der Flaute? Ist das nicht auch manövrierunfähig? Also das Segelboot ist zwar de facto nicht in der Lage zu manövrieren, aber eine Flaute ist natürlich kein außergewöhnlicher Umstand.
“Der Ausdruck “manövrierbehindertes Fahrzeug” bezeichnet ein Fahrzeug, das durch die Art seines Einsatzes behindert ist, so zu manövrieren, wie es diese Regeln vorschreiben, und daher einem anderen Fahrzeug nicht ausweichen kann. (SR 9) Der Ausdruck “manövrierbehinderte Fahrzeuge” umfasst, ohne darauf beschränkt zu sein:
i) Ein Fahrzeug, das ein Seezeichen, Unterwasserkabel oder eine Rohrleitung auslegt, versorgt oder aufnimmt;
ii) ein Fahrzeug, das baggert, Forschungs- oder Vermessungsarbeiten oder Unterwasserarbeiten ausführt;
iii) ein Fahrzeug in Fahrt, das Versorgungsmanöver ausführt oder mit der Übergabe von Personen, Ausrüstung oder Ladung beschäftigt ist;
iv) ein Fahrzeug, auf dem Luftfahrzeuge starten oder landen;
v) ein Fahrzeug beim Minenräumen;
vi) ein Fahrzeug während eines Schleppvorgangs, bei dem das schleppende Fahrzeug und sein Anhang erheblich behindert sind, vom Kurs abzuweichen.
(SR 10)
Bei dieser Definition geht es also um die Aufgabe, die das Fahrzeug ausführt und durch die es beim Manövrieren eingeschränkt ist. Klar, ein Fahrzeug, dass ein Unterseekabel verlegt, könnte zwar theoretisch ausweichen, aber dann würde das Kabel in Schlangenlinien auf dem Meeresgrund liegen. Also weichen die anderen aus.
Und eine Definition noch: “Der Ausdruck “tiefgangbehindertes Fahrzeug” bezeichnet ein Maschinenfahrzeug, das durch seinen Tiefgang im Verhältnis zu der vorhandenen Tiefe und Breite des befahrbaren Gewässers erheblich behindert ist, von seinem zu verfolgenden Kurs abzuweichen.” Also mit anderen Worten, ein Fahrzeug mit so großem Tiefgang, dass es auf die Fahrrinne angewiesen ist. Es könnte zwar ausweichen, würde dadurch aber mit großer Wahrscheinlichkeit auf Grund laufen. Es wird also nicht ausweichen. In der Deutschen Bucht und in der südwestlichen Ostsee werdet ihr früher oder später auf solche Fahrzeuge treffen, denn dort gibt es oft die Situation, dass es außerhalb der Fahrwasser sehr flach ist.
Im nächsten Abschnitt schauen wir uns ein paar allgemeine Regeln in den KVR an.
Lernkontrolle
Die Fragen, hinter denen ein Kürzel in Klammern steht, sind offizielle Prüfungsfragen.
Was ist ein "manövrierunfähiges Fahrzeug"? (SR 8)
Manövrierunfähig ist ein Fahrzeug, das wegen außergewöhnlicher Umstände (z. B. Ruderbruch) nicht regelgerecht manövrieren und daher einem anderen Fahrzeug nicht ausweichen kann.
Was ist ein "manövrierbehindertes Fahrzeug"? (SR 9)
Manövrierbehindert ist ein Fahrzeug, das durch die Art seines Einsatzes behindert ist (z. B. Bagger, Kabelleger), regelgerecht zu manövrieren, und daher einem anderen Fahrzeug nicht ausweichen kann.
Nennen Sie mindestens 3 Beispiele für "manövrierbehinderte Fahrzeuge". (SR 10)
- Tonnenleger, Kabelleger, Rohrleger im Einsatz,
- Bagger, Vermessungsfahrzeuge im Einsatz,
- Versorger im Einsatz,
- Flugzeugträger im Einsatz,
- Minenräumfahrzeuge im Einsatz,
- Fahrzeuge während eines Schleppvorganges, bei dem das schleppende Fahrzeug und sein Anhang erheblich behindert sind, vom Kurs abzuweichen.